Endlich ist es da! Das Universe-of-Hybris-Zertifikat für Kulturgüter. Nach langer Projektdauer, in der unzählige Stunden damit verbracht worden sind, die Kriterien zu bestimmen, mit denen unser Gütesiegel in Verbindung gebracht werden darf, ist es nun vollbracht.
Die Vergabe des UoH-Qualitätszertifikat wird von unabhängigen Stellen durchgeführt und ist semi-transparent. Der Vergabeprozess orientiert sich am von Herodot beschriebenen Prüfverfahren der alten Perser:
"Wenn sie stark trinken, pflegen sie die wichtigsten Dinge in Beratschlagung zu ziehen; was ihnen aber in dieser Beratschlagung gefällt, das trägt ihnen des folgenden Tages der Herr des Hauses, in welchem sie sich miteinander bereden, wieder vor. Gefällt es ihnen alsdann auch noch, wenn sie nüchtern sind, so richten sie sich darnach; gefällt es ihnen nicht, so lassen sie es gehen. Was sie aber nüchtern vorher beratschlagt haben, das untersuchen sie bei dem Trunke von neuem."
Herodot, ca. 450 v. Chr., Von den Persern weiß ich.
So ist vor allem garantiert, dass die Zertifikatsvergabe einer permanenten Reflexionsschleife zugeführt ist, in der auch eine Aberkennung denkbar ist.
Das Gütesiegel garantiert folgende Kriterien:
Kein hochgestochener Scheiß
Irgendwas nachvollziehbares aus der Arbeiterklasse, welches etwas Klarheit schafft und dazu ermuntern soll, die Verhältnisse neu zu überdenken.
Sollten uns noch ein paar Kriterien einfallen, werden wir sie hier veröffentlichen.
Braddock, Pennsylvania. Eindruckvollster Ort mit Industrieruinen und verlassenen Arbeitersiedlungen, aufgelegt, um den unaufhaltsamen Niedergang des ehemals prosperierenden "Manufacturing Belt" nachzuvollziehen. Dieser Gürtel zog sich entlang der Großen Seen von Chicago über Detroit, Cleveland und Pittsburgh. Die Region um Pittsburgh ( Braddock liegt 9 Meilen entfernt ) spezialisierte sich auf die Stahlproduktion. Mit der Abwanderung der Schwerindustrie ( Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie ) in billigproduzierende Länder ab den 60igern, begann die Region zu korrodieren und wurde sinnigerweise Anfang der 70iger Jahre in "Rust-Belt" umbenannt.
Scott Cooper, der mit seinem Regiedepüt " Crazy Hearts", Jeff Bridges zu seinem ersten Oscar verhalf, nahm sich für seinen zweiten Film eine Geschichte aus dem "Blue Collar" Millieu vor. "Blue Collar" ist der blaue Kragen der Arbeitskleidung von Arbeitern. Früher bekannt als "Schlossergwaund" oder "Blaugwandl", heute lässiger Hipsterstyle. Der Ort der Handlung ist Braddock. Originalschauplätze in einem Venedig des Industriezeitalters.
Der deutsche Verleihtitel "Auge um Auge" stellt das Rachemotiv in den Vordergrund. Wahrscheinlich um Besucher zu ködern, da dieser Film sich nur mit Zwang in eine Genre-Schablone einordnen läßt und dann auch noch in den USA floppte. Vielleicht ist es wirklich so banal, dass ein Film, wenn er für die Schublade der Kritiker zu groß ist, als anmaßend und aufgebläht verurteilt wird. Denn über die Kategorie "Thriller" wird ihm auch der Garaus gemacht. Hier fallen die üblichen Wörter wie "langatmig" und "inkonsequent".
Auf die Idee zu kommen, dass sich der Film dem Thrillermotiv nur oberflächlich bedient, um dahinter eine andere, ungleich weitreichendere Geschichte zu erzählen, dürfte vielen Kritikern, wenn nicht entgangen, dann halt überfordert haben. Dieser Film verhandelt, in unglaublich präzisen Szenen, die, im Sog des Untergangs der Schwerindustrie, sich mitauflösende Arbeiterkultur und ihren Ikonen von Männlichkeit.
"Out of the Furnace" ist kein romantisierendes Arbeiterepos. Schonungslos werden die Bilder aufgefächert. Alle Beteiligten wissen wie es steht. Nur, was gibt es sonst? Hoffnung? Als Antwort läßt Cooper in einer Bar den Fernseher im Hintergrund laufen. Ted Kennedy hält gerade eine flammende Rede für die Wahl von Barack Obama, er sei die Hoffnung für ein neues Amerika mit Wohlstand und Arbeit. Wir können es schaffen. Kein einziger in der Bar sah auf oder verändert eine Miene.
Christian Bale wird mit seiner Darstellung des Russell Baze hoch gelobt. Und wahrlich, ich sage euch, hier spielt er sich an die Spitze. Als wäre er in Braddock geboren und am Hochofen groß geworden, legt er die Figur so nuancenreich an, dass einem die Tränen kommen.
Überhaupt hat Cooper beim Personal nicht gespart und bis in die Nebenrollen großartige Darstellung garantiert: Casey Affleck, Woody Harrelson, Sam Shepard, Zoe Saldana, Willem Dafoe und Forest Whitaker.
In einigen Bildern erinnert der Film an Michael Cimino ( kein Wunder, in "The Deer Hunter" sind die Freunde auch Stahlarbeiter aus Pennsylvania ), dem mit "Heavens Gate" großes Unrecht geschah. Aus unerfindlichen Gründen wurde er damals von der Kritik zerrissen und fuhr ein desaströses Minus ein, sodass er für Jahre keine Aufträge mehr bekam. Heute wird "Heavens Gate" als Meisterwerk gesehen. Scott Cooper nimmt sich in "Out of the Furnace" den Dramen der Arbeiterklasse mit Sorgfalt und Einfühlung an. Auch wenn ihm der Erfolg an den Kassen ausblieb, meinen Respekt hat er allemal! Thank You!
Im Soundtrack wurde der Pearl Jam Song "Release" reingenommen:
...jetzt hat mein alter Grooveshark ausgelassen und ich mußte zu youtube um "Release" reinzustellen. Ich bereue es nicht. Ich fand diesen großartigen Trailer.
Wann hattest du Gelegenheit auf die Herkunft aus der Arbeiterklasse stolz zu sein? Wie oft hast du es versucht zu leugnen? Versucht alle Spuren zu beseitigen? Hä? Mit Bourdieu die Ungerechtigkeit beklagt? Den Dialekt versucht auszumerzen?
Laptop, Mikrophon, Bier und Zorn. Gemma, mehr braucht es nicht. Robert Rotifer dürfte es irgendwann mal irgendwo geschrieben haben ( im Netz gibt es unzählige Hinweise ), daß der Britpop so darnieder liegt, weil sich nur mehr die Privatschüler ( Kinder die nicht mit unterpriveligierten Kindern zusammenkommen sollen/wollen, weil sie den Lernerfolg der zukünftigen Elite negativ beeinflußen könnten und deren Schulgeld die Eltern zahlen - sogenannte "upper-class" ) das Equipment für lässige Posen aus den Repertoire von Small Faces, The Who und The Jam vermischt mit ein paar Punk-Attitüden, leisten können. "Mom and Dad, könntet ihr mir eine Gitarre kaufen, damit ich meinen Frust über meine narzistischen Kränkungen in der Hitparade abarbeiten kann?" "Na klar doch, mach es so wie Lily Allen, die darauf noch stolz ist".
2010 sind angeblich 60 Prozent der britischen Charterfolge von Mittelständlern eingenommen worden. Und genauso klingt auch dieses Fadgas. Der Rest der Privatschüler kommentiert die Scheiße als Musikjournalisten, die dem Ganzen noch postmodernen Charme unterjubeln. Die Britpopper waren, zu großen Teilen und - zumindest am Anfang -, Anhänger der Blairschen Labourparty. Oh, welch ein Sündenfall Jarvis Cocker, Gallagher-Brüder und Damon Albarn. Nun, es sei euch nicht verziehen, aber diese Scharte wetzen die neuen Klassensprecher mit links wieder aus.
Andrew Fearn drückt einen Taste auf dem Laptop, geht zurück und wippt zurückgenommen mit einem Bier in der Hand zu den Beats von der Festplatte. Jason Williamson spuckt zornig in das Mikrophon mit einem wundervollen Slang, in dem Fuck nicht mit Fack, sondern als Fock ausgespuckt wird.
Keine Privatschulen in diesen Biographien, sondern Fabrik und Drogen. Der Label-Boss ist hauptberuflich Busfahrer, damit er sich dieses Hobby finanzieren kann. Jeder Song ein Schlag mit dem 5/8er Staffel, sägerauh. Endlich!!!! Fock you!
Langjährige Aufklärungsarbeit hat nichts gebracht. Daher bin ich gezwungen, in die Halb-Öffentlichkeit zu treten.
Graham
Anthony Barnes wurde 1944 in Nottingham geboren. Bekannt wurde er später als
Alwin Lee, britischer Stromgitarrenspieler und Bandleader der legendären Blues-Rock
Formation Ten Years after. Zeitgleich mit den Beatles trat er zu Beginn der 60er
Jahre mit den Jaymans im Hamburger Star-Club auf, Mit dabei war damals schon Leo
Lyons, späterer Bassist der TYA. Außerdem mit von der Partie bei TYA waren Chick Churchill und Ric Lee.
Dann las Leo in der Zeitung über „Zehn Jahre nach dem Ende
der Wehrpflicht in U.K. …“ und Ten Years After war entstanden.(aus: wikipedia)
... so entstehen Bandnamen!
Ihren wohl größten Auftritt hatten sie beim Woodstock
Festival, wo sie ihren bis heute bekanntesten Song Going home spielten. Auch
heute noch ein Ohren- und Augenschmaus – allen Unkenrufen zum Trotz. Wer sonst
kann solche Fratzen beim rotzigen Spiel ziehen?
Zwischen 1967 und 1989 spielten sie 9 Studioalben ein, ehe sich Alvin von seinen Spielkameraden trennte um fortan als Solomusiker durch die Welt zu ziehen. Zuletzt lebte er in Spanien, wo er 69-jährig am 6. März 2013 starb.
Zugegeben, recht experimentierfreudig und innovativ waren
die Jungs von Ten Years after nie, aber der Coolnessfaktor war hoch. So wollten
wir doch alle mal aussehen, - na ja, einige von uns!
Gradliniger, schnörkelloser Blues-Rock, zugegeben reiner
Prolorock, aber immer noch erfrischend, wohltuend und katharsisch.
Zum Abschluss was versöhnliches, auch für jene, die’s ein
wenig inspirierter wollen.
... und schöne Balladen kann er auch singen, der Alvin.
Think about the times when you're happy
think about the times when you're sad Think about the life you're living Think about your life and be glad
So, das musste mal gesagt werden, 30 Jahre nach Wielandsberg!
bevor ich mich hier verausgabe und die Entäußerung in arbeit ausartet, soll doch der Kontemplation noch einmal das Wort gesprochen werden.
Die Ausstellung SEHNSUCHT ICH im Essl-Museum versucht die unterschiedlichen Aggregatszustände des Selbst künstlerisch zu erfassen. So sind verschiedene Räume entstanden in denen das Menschenbild in Kinder- und Jugendszenen, in Selbstportraits im Verhältinis zur Gesellschaft, in Körper und Psyche bis hin zu Vergänglichkeit und Auslöschung in all den Spannungsverhältnissen dargestellt wird.
Im Raum der Vergänglichkeit: Jörg Immendorf, Kampf der Zeit
Es spiegelt sehr beeindruckend auch eigene Befindlichkeiten und entlässt mich nach 2 Stunden nachdenklich und versunken in die Realität eines stürmischen Wintertages.
Um dem ICH nicht ganz hilflos ausgeliefert zu sein, bedarf es dann auch wieder der Zerstreuung.
Kraftwerk spielen ihre Alben im Mai im Burgtheater. Karten sind schon weg, hören kann man den Stoff allemal.
Der „recht spezielle Künstler“ (Begleittext zur Ausstellung)
Franz Graf stellt im 21er Haus eine recht eigenwillige Ausstellung aus eigenen
Werken und Arbeiten internationaler und nationaler KünstlerInen zusammen.
Baustellenartig sind Räume konstruiert, hängen Bilder auf Baugerüsten, die nur
vom 1. Stock aus zu betrachten sind. Dieser Rahmen wird eingesetzt, um
Strukturen sichtbar zu machen, die ansonsten im Hintergrund bleiben. Die
BesucherInnen betreten somit ein Bühne beim Besuch der Ausstellung.
Damit
werden sie zu ProtagonistInnen eines Prozesses der ständigen Anpassung an die
(Umwelt-)Bedingungen.
Das macht die Ausstellung auch so spannend. Man spaziert durch die Vorläufigkeit der Baustelle und durch einen bunte Ansammlung an Bildern und Objekten. Der Künstler wird zum Sammler, Archäologen, Dokumentaristen, Forscher und Archivar, der die Fundstücke zu einer eigenen Welt synthetisiert.
So werden Schallplattencover aus dem ursprünglichen Bedeutungsrahmen genommen, gerahmt und so transformiert. Aus Kunst wird Kunst!
Oben: Nurse with wound: Chance meeting on a Dissecting Table of a Sewing Machine and an Umbrella, 1979.
Unten: Throbbing Gristle: Live at Death Factory, Picturedisc, 1983.
Throbbing Gristle: See you are (live)
Spannend auch ein Besucher, der seinen Unmut über die aus
seiner Sicht unverständliche und misslungene Anhäufung sinnloser Objekte laut
zum Ausdruck brachte und immer wieder auf das Fehlen von „Bildern“, „großen
Bildern!“ hinwies, sich jedoch kopfschüttelnd und im ständigen Lamento
versunken die Ausstellung vollständig durchwanderte – Respekt!
Frohes Schaffen!
Im Anschluss daran ging’s ins alte Schikaneder-Kino. Ein
nostalgischer Ausflug in die 80er, - was das Ambiente des herrlich
schmuddeligen und an die Kneipen später Jugendtage erinnernden Lokals und Foyer
des Lichtspieltheaters betrifft. Eine Flasche Wieselburger und dann gings in
den Film „Frohes Schaffen! Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral“ von Konstantin Faigle.
Ein durchaus gelungener Semi-Dokufilm, der die Arbeitsmoral
in den kapitalistischen Gesellschaften mal augenzwinkernd, mal kritisch
hinterfragend zum Objekt der Betrachtung macht.
Neben Franz Schandl und Marianne Gronemeyer kommt auch der
Soziologe und Ökonom Jeremy Rifkin zu Wort, der deutlich macht, dass markante
Veränderungen in Arbeits- und Erwerbsleben unsere Gesellschaft nachhaltig
beeinflusst, von Politik und Wirtschaft jedoch nicht zur Kenntnis genommen
wird.
Konkret zeigt Rifkin in seinem Buch Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft), dass es durch den Produktivitätszuwachs in den
letzten zwei Jahrzehnten zu einem dramatischen Verschwinden von
Fabrikarbeitsplätzen gekommen ist. Dies gilt trotz des Wirtschaftswachstums im
selben Zeitraum. Anhand weltweiter Wirtschaftsdaten wird gezeigt, dass sich
diese Entwicklung in Zukunft in dramatischer Form fortsetzen wird.
Der Film versucht
darüber hinaus, Utopien von einer Gesellschaft abseits von Wachstum und Gewinnmaximierung
zu entwickeln, was zwangsweise etwas verschwommen daherkommt, da es dazu an
konkreten politischen Konzepten fehlt und die weichgezeichnete Hippie-Kommunen-Idylle
etwas anachronistisch wirkt und an Rondo Pastorale (Franz Josef Degenhardt,
Wildledermantelmann, 1977) erinnert.
Dennoch macht der Film wieder bewußt, dass Arbeit nur
bedingt der Natur des Menschen entspricht, wir jedoch diese Ideologie bereits verinnerlicht
haben.
Gotthold Ephraim Lessing
Lob der Faulheit
Faulheit, jetzo will ich dir
Auch ein kleines Loblied schenken,
Käm es nur gleich aufs Papier
Ohne lange nachzudenken
Doch, ich will mein bestes tun,
Nach der Arbeit ist gut ruhn.
Höchstes Gut! wer dich nur hat
Dessen ungestörtes Leben
Wird - ich gähn - ich werde matt -
Nu - so - magst Du mir vergebens,
Daß ich dich nicht loben kann;
Du verhinderst mich ja dran.
Eine verstörende Ausstellung, die sich weitgehend erst nach
der Lektüre der Begleittexte erschließt.
Ein wunderbares Beispiel ist die Arbeit von Prachtaya
Phinthong. Daher hier der Begleittext als Faksimile. Erstmals ein Kunstwerk,
dass zum Verständnis die Betrachtung desselben gar nicht notwendig macht.
Schwer beeindruckend, insbesondere das entgrenzte
Kunstverständnis. Aus meiner Sicht preiserdächtig als hybris-art-of-the-year!
Die Auseinandersetzung der KünsterInnen mit Material im
Verhältnis zu Geld und Krise hat diese sparsam kuratierte Ausstellung
eindrucksvoll inszeniert.
Die Ausstellung war jedoch nur der Vorlauf für die
nachfolgende Diskussionsveranstaltung in der mumok-Lounge.
Die Philosophen Prof. Konrad Paul Liessmann und Prof.
Lambert Wiesing parlierten trefflich zum Thema „Gute Kunst – schlechte Kunst“.
Anlass war die Neuausgabe des Standardwerks „Philosophie der
modernen Kunst“ von Liessmann. Von Lambert Wiesing erschien 2013 das Buch
„Sehen lassen. Die Praxis des Zeigens“. Darin stellt er die Frage, "wer"
etwas zeigt, wenn davon die Rede ist, dass ein Bild etwas zeigt. Bilder zeigen
nicht schon allein deshalb etwas, weil auf ihnen etwas sichtbar ist.
Ausgehend von der Annahme, dass der moderne Kunstbetrieb
darüber bestimmt, was wir als Kunst wahrzunehmen haben, vertritt Wiesing die
verblüffend einfache Ansicht, dass schlechte Kunst schlicht langweilig wäre und
es folglich nötig hätte, sich des Kunstbegriffs zu bedienen.
Liessmann hingegen bedont den kontextualenPosition moderner
Kunst mit den Verweis auf die Ready-mades. Hier beispielsweise das Pissoir von
Marcel Duchamps.
Liessmann argumentiert, das moderne Kunst auch deshalb
funktionert, weil sie aus dem Gebrauchskontext herausgenommen in einem
konstruierten Zusammenhang neu betrachtet und interpretiert werden kann und
somit über ihre eigentliche Funktion hinausweist.
Die Künstler sind die einzigen, die wissen, dass sie lügen
und daher der Wahrheit näher als die Wissenschaft.
Pete Seeger ist tot. Ich lernte ihn - akustisch - vor knapp 40 Jahren
kennen, als ich von meinem damaligen Nachbarn und Mäzen in Sachen Musik ein
Doppelalbum “The best of American Folk” geschenkt bekam. Darauf waren
Folkgrößen wie Peter, Paul & Mary, The Seekers, The Kingston Trio, Odetta
und auch Pete Seeger & the Weavers zu finden.
Mein Nachbar gab das Album wohl ab, weil er sich dem
traditionellem Folk mit seinen schönen Liedern und dem heimeligen Pathos wohl schon
entwachsen wähnte und ich, als gelehriger Schüler, diesen Weg noch zu beschreiten
hätte, bevor ich in die erste Liga aufsteigen darf, die da Bob Dylan heiß oder
der erst spät von mir entdeckte Phil Ochs.
Aber zurück zu Pete Seeger. Der politische Aktivist und
musikalische Begleiter der amerikanischen Bürgerrechts- und
Gewerkschaftsbewegung war nach meiner glücklich bestandenen „Folkphase“ schließlich
die Person, die mir weniger als Musiker in Erinnerung blieb, sondern vielmehr als ein Mann mit Haltung, der durch sein Verständnis von Herrschaftsfreiheit wohl auch Ehrenmitglied im universe sein könnte.
Seeger engagierte sich im spanischen Bürgerkrieg für die republikanischen
Kräfte und nahm 1943 ein Album mit dem Titel „Songs fort he Lincon-Battaillons“
auf.
Hier die akustische Aufnahme von Jarama valley mit Pete Seeger.
Das Lied, basiert auf dem Gedicht „Tal von Jarama“ von Alex
McDade (1905-1937). (Alex McDade war ein schottischer Arbeiter, der als
Spanienkämpfer in der Schlacht von Jarama im Februar 1937 verwunden wurde und
fiel in der Schlacht von Brunete am 6. Juli 1937.)
Die Schlacht von Jarama fand vom 6. bis 27. Februar 1937 nur wenige Kilometer östlich von Madrid statt. Einheiten der nationalistischen Armee unter Franco standen der spanischen Fremdenlegion, marokkanischen Truppen, der republikanischen Armee und den internationalen Brigaden gegenüber.
In der Näher der Anhöhe von Pingarrón, wo das Gefecht um den Suicide hill stattfand, befindet sich zu Ehren der 600 Gefallenen des britischen Bataillons der internationalen Brigade Lincoln/Washington ein Denkmal.
there's a
valley in spain called Jarama
its a place that we all know so well
it was there that we fought against the fascists
we saw a peacful valey turn to hell
from this valley they say we are going
but dont hasten to bid us adue
even though we lost the battle at jarama
we'll set this valley free before we're through
we were men of a laken battelion
we're proud of the fight that we made
we know that you people love the valley
we're remember a laken vrigade
from this valley they say we are going
but dont hasten to bid us adue
even though we lost the battle at jarama
we'll set this valley free before we're through
you will never find peace with these fascists
you'll never find friends such as we
so remember that valley iof jarama
and the people that'll set that valley free
from this valley they say we are going
but dont hasten to bid us adue
even though we lost the battle at jarama
we'll set this valley free before we're through
all this world is like this valley called jarama
so green and so bright and so fair
no fascists can dwell in our valley
nor breathe in our new freedoms air
from this valley they say we are going
but dont hasten to bid us adue
even though we lost the battle at jarama
we'll set this valley free before we're through
So schließt sich der Kreis vom spanischen Bürgerkrieg zu
Pete Seeger.
Tatsächlich eine lange Absenz. Die Frage nach dem warum
lässt sich so – oder natürlich auch anders – beantworten. Ich bin der Welt im letzten
Jahr ein wenig abhanden gekommen, - oder im Jahr 2013 erst gar nicht angekommen!?.
Den Jetlag vom Rückflug von New York im Februar wurde nicht
bewältigt und hielt sich beharrlich das
ganze Jahr über als seltsames Gefühl des (noch) nicht-angekommen-seins.
Es waren jedoch auch die Fragen nach den Bedingungen des
Menschseins, wie sie Adorno in seinen Reflexionen aus dem beschädigten Leben beschrieb,
die die Person blass blieben ließ.
Diese Blässe konnte jedoch auch dafür genützt werden,
abseits von sozialen Gefügen die Suche nach der (verlorenenen?) 1. Natur
anzustrengen. Erst im fragilen Zustand des beinahe-Vorhandenseins ist es mir
möglich, jene Zustände zu reflektieren, die sonst hinter der streng konturierten
und undurchlässigen Hülle der „Uneigentlichkeit“ verborgen bleiben.
Danke für den Beitrag „Before you slip …“!
Anlass genug, die selbstgewählte mediale Absenz zu beenden.
Der angesprochene hybride Raum ohne Herrschaft wurde eingenommen
von Ideologie und Verblendung kulturindustrieller Sirenengesänge und hybrisinterner
Nachlässigkeit. Die Aufmerksamkeit auf prinzipielle (Selbst-)Reflexionen wich erschöpfungsbedingten
Banalitäten.
[…] weil das Osterfest der Juden nahe bevorstand, zog Jesus nach Jerusalem
hinauf. Er fand dort im Tempel die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben
und die Geldwechsler sitzen. Da flocht er sich eine Geißel aus Stricken und
trieb sie alle samt ihren Schafen und Rindern aus dem Tempel hinaus, verschüttete
den Wechslern das Geld und stieß ihre Tische um und rief den Taubenhändlern zu:
‚Schafft das weg von hier! Macht das Haus meines Vaters nicht zu einem
Kaufhause!‘ Die Heilsbotschaft nach Johannes‘ 2,13-16.
In diesem Sinne werden wir unseren Raum wieder reinigen,
durchlüften und (wieder-)eröffnen.
Die Voraussetzungen dafür sind neben der wachen
Aufmerksamkeit auch der radikale Respekt des Lebensentwurfes des Anderen (ich
weiß schon, dass kann mitunter schwierig sein) und eine hohe Qualität der
Kommunikation, die vereinbarter Regeln bedarf.
Herrschaftsfreiheit bedeutet letztlich auch die Anerkennung des Vorläufigen!
Trotz mentaler Abwesenheit ist ein Film in Erinnerung
geblieben: Searching for Sugar Man. Erschienen im Jahr 2012, gesehen jedoch
erst 2013. Gemacht von Malik Bendjelloul. Ein Dokumentarfilm, der die Suche
zweier südafrikanischer Musikfans nach dem amerikanischen Musiker Sixto Rodriguez erzählt.
I wonder how many times you've been had And I
wonder how many plans have gone bad I
wonder how many times you had sex I
wonder do you know who'll be next I
wonder l wonder wonder I do
Eine andere sympathische Figur der Kunstszene kam mir beim Zappen unter die Augen: Wolfgang Flatz. Die Kunst-Projekte von Wolfgang Flatz sind provozierend und schräg. Durch die Provokation, so Flatz, soll beim Kunstbetrachter die Wahrnehmung
verstärkt werden, um so der menschlichen Teilnahmslosigkeit entgegenzuwirken.
Vor vielen Jahren, als uns die Frage nach der Umsetzung eines richtigen Leben im falschen, noch herumtrieb, konzipierte das Universe of Hybris den "Herrschaftsfreien Raum". Es war uns aufgefallen, dass selbst im vertrauten Bereich, die unsäglichen Muster des Marktes Einzug hielten. Die unreflektierten Bedingungen aus unserem Alltag spielten in die Beziehungsgestaltung hinein und verursachten Haltungs- und Denkblockaden. Wir mussten jedesmal neu errichtete Positionen von Zynismus, Sarkasmus, Besserwissen, Abgeklärtheit und Vorurteilen - kurz: Konkurrenz - mühsam abbauen, um in einen halbwegs authentischen Moment zu kommen, der den radikalen Respekt für die unterschiedlichen Lebensentwürfe garantierte.
Dahinter steht nichts geringeres, als das eigentliche Bedürfnis, sich unverstellt, und sei es auch in seiner Verzweiflung, Angst, Unbeholfenheit und Unvollkommenheit zeigen zu können.
So, das lass ich einmal setzen.
Wie im "Herrschaftfreien Raum" üblich, zwischendurch etwas Musik. Einige Höhepunkte aus dem vergangenen Jahr 2013.
Terrence Thornton alias Pusha T. ist bei "GOOD Music", dem Label von Kanye West, unter Vertrag. Voriges Jahr brachte er sein erstes Solo-Album "My Name Is My Name" heraus. Ein überaus gelungenes Album, urteilt das UoH.
Das "Barcode Cover" ist leider keine Hommage an mich, der vor 12 Jahren die gleiche Idee als Einladung für eine Ausstellung hatte. Mein ausgelesener Barcode lautete damals "hybrid" und war der Grundstein für das "Universe of Hybris". Die Quersumme von Pusha T´s Code ergibt sein Alter und ein QR-Code Scan liefert das Cover als Bilddatei. Egal, wir teilen zumindest die gleiche Einschätzung: Der Barcode zählt zu den faszinierendsten Symbolen des 21. Jahrhunderts.
Kanye West spendet First-Aid-Autotune-Trost und Pusha T. und Rick Ross stellen klar, was sie unter dem Begriff Loyalität verstehen: HOLD ON
If you slipping you fall, I got you, my nigga, hold on If you right or you wrong, if you riding come on By the end of this song, I got you, my nigga, hold on
Zurück zum "Herrschaftsfreien Raum", zum "Richtigen Leben im falschen". In der ersten Fassung von Adorno`s Minima Moralia, soll der Satz vom richtigen Leben ursprünglich: "Es läßt sich privat nicht mehr richtig leben" geheißen haben. Hier bringt er das Problem präzise auf den Punkt.
Der Raum, den das Universe of Hybris errichten wollte, war eine Konstruktion, um sich aus der sinnentleerten, verdinglichenden zweiten Natur, und sei es nur für einen Augenblick, zu befreien. Es war der Versuch "Privatheit" zu leben. Im Sinne der Situationisten versuchten wir eine Situation zu generieren, in der das Erstarrte wieder flüssig wird.
Ein weiteres wunderbares Mixtape-Album legte Chancelor Bennet alias Chance the Rapper vor: ACID RAP. "Everything´s Good":