Dienstag, 23. September 2014
Klassentreffen #2 - Auge um Auge ( Out of the Furnace )
Braddock, Pennsylvania. Eindruckvollster Ort mit Industrieruinen und verlassenen Arbeitersiedlungen, aufgelegt, um den unaufhaltsamen Niedergang des ehemals prosperierenden "Manufacturing Belt" nachzuvollziehen. Dieser Gürtel zog sich entlang der Großen Seen von Chicago über Detroit, Cleveland und Pittsburgh. Die Region um Pittsburgh ( Braddock liegt 9 Meilen entfernt ) spezialisierte sich auf die Stahlproduktion. Mit der Abwanderung der Schwerindustrie ( Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie ) in billigproduzierende Länder ab den 60igern, begann die Region zu korrodieren und wurde sinnigerweise Anfang der 70iger Jahre in "Rust-Belt" umbenannt.
Scott Cooper, der mit seinem Regiedepüt " Crazy Hearts", Jeff Bridges zu seinem ersten Oscar verhalf, nahm sich für seinen zweiten Film eine Geschichte aus dem "Blue Collar" Millieu vor. "Blue Collar" ist der blaue Kragen der Arbeitskleidung von Arbeitern. Früher bekannt als "Schlossergwaund" oder "Blaugwandl", heute lässiger Hipsterstyle. Der Ort der Handlung ist Braddock. Originalschauplätze in einem Venedig des Industriezeitalters.
Der deutsche Verleihtitel "Auge um Auge" stellt das Rachemotiv in den Vordergrund. Wahrscheinlich um Besucher zu ködern, da dieser Film sich nur mit Zwang in eine Genre-Schablone einordnen läßt und dann auch noch in den USA floppte. Vielleicht ist es wirklich so banal, dass ein Film, wenn er für die Schublade der Kritiker zu groß ist, als anmaßend und aufgebläht verurteilt wird. Denn über die Kategorie "Thriller" wird ihm auch der Garaus gemacht. Hier fallen die üblichen Wörter wie "langatmig" und "inkonsequent".
Auf die Idee zu kommen, dass sich der Film dem Thrillermotiv nur oberflächlich bedient, um dahinter eine andere, ungleich weitreichendere Geschichte zu erzählen, dürfte vielen Kritikern, wenn nicht entgangen, dann halt überfordert haben. Dieser Film verhandelt, in unglaublich präzisen Szenen, die, im Sog des Untergangs der Schwerindustrie, sich mitauflösende Arbeiterkultur und ihren Ikonen von Männlichkeit.
"Out of the Furnace" ist kein romantisierendes Arbeiterepos. Schonungslos werden die Bilder aufgefächert. Alle Beteiligten wissen wie es steht. Nur, was gibt es sonst? Hoffnung? Als Antwort läßt Cooper in einer Bar den Fernseher im Hintergrund laufen. Ted Kennedy hält gerade eine flammende Rede für die Wahl von Barack Obama, er sei die Hoffnung für ein neues Amerika mit Wohlstand und Arbeit. Wir können es schaffen. Kein einziger in der Bar sah auf oder verändert eine Miene.
Christian Bale wird mit seiner Darstellung des Russell Baze hoch gelobt. Und wahrlich, ich sage euch, hier spielt er sich an die Spitze. Als wäre er in Braddock geboren und am Hochofen groß geworden, legt er die Figur so nuancenreich an, dass einem die Tränen kommen.
Überhaupt hat Cooper beim Personal nicht gespart und bis in die Nebenrollen großartige Darstellung garantiert: Casey Affleck, Woody Harrelson, Sam Shepard, Zoe Saldana, Willem Dafoe und Forest Whitaker.
In einigen Bildern erinnert der Film an Michael Cimino ( kein Wunder, in "The Deer Hunter" sind die Freunde auch Stahlarbeiter aus Pennsylvania ), dem mit "Heavens Gate" großes Unrecht geschah. Aus unerfindlichen Gründen wurde er damals von der Kritik zerrissen und fuhr ein desaströses Minus ein, sodass er für Jahre keine Aufträge mehr bekam. Heute wird "Heavens Gate" als Meisterwerk gesehen. Scott Cooper nimmt sich in "Out of the Furnace" den Dramen der Arbeiterklasse mit Sorgfalt und Einfühlung an. Auch wenn ihm der Erfolg an den Kassen ausblieb, meinen Respekt hat er allemal! Thank You!
Im Soundtrack wurde der Pearl Jam Song "Release" reingenommen:
...jetzt hat mein alter Grooveshark ausgelassen und ich mußte zu youtube um "Release" reinzustellen. Ich bereue es nicht. Ich fand diesen großartigen Trailer.
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