UoH erklären sich die Welt |
Wie immer, um die Jahreswende, kommt es zu einem fruchtbaren Zusammentreffen weit verstreuter Sympathisanten des UoH. Die Gesprächsreihen finden im luxurösen Landhaus von Tony Lamento statt, der ja in der Zwischenzeit zu einem erfolgreichen Unternehmer geworden ist. Wenn sie der Ruf des Schweinehirten ereilt, lässt die Gemeinde ihre gewohnten Aktivitäten ruhen und pilgert aus allen Himmelsrichtungen ins Hauptquartier des UoH. Statt Weihrauch und Myrrhe bringen sie Alkohol und Zigaretten, hastig gepackt, in billigen und übel beleumundeten Plastiksackerln. Trinkend und rauchend wird auch die Nacht bestritten. Nur die körperliche Erschöpfung erzwingt den Rückzug aus dem Konferenzraum.
Bevor die zersetzende Wirkung des Alkohols, den als Ausklang gedachten Liederzyklus ( eine, auf Publikumswunsch neu hinzugekommene Kategorie ) zum vorzeitigen Einsturz brachte, gab es heftige Schlagabtausche in den einzelnen Debatten der angebotenen Workshops. Obwohl ich mich schon beim Thema "Religion" auf abschüssiges Gelände begab und prompt mit "Houellebecq" abrutschte, stemmte ich mich im Arbeitskreis "Richtig Reisen" erneut mit einer Bemerkung gegen den "mainigen" Strom. Es schien mir absurd die Strapazen einer Reise auf sich zu nehmen, nur um irgendwo persönlich anwesend zu sein. Welcher Grund veranlasst den Wunsch, vor Ort, die Artefakte oder Naturphänomene zu betrachten? Warum, dabei fasste ich Ulan in den Blick, fährst du nach München, in die Pinakothek? Und nun kam, nach kurzer Überlegung und auch etwas verhalten, dieses Wort: Liebe. In der weiteren Diskussion ging es sofort wieder verloren, wurde auch nicht mehr aufgegriffen, aber merkwürdigerweise blieb es aufdringlich in meiner Erinnerung und beschäftigte mich noch Tage später. Gemeint war ja nicht die Liebe zur Pinakothek, sondern dieses zwischenmenschliche Phänomen, welches die Geworfenheit in diese Welt, um vieles erträglicher macht. "All is full of Love", singt schon Björk und dieser übermäßige Einsatz des Wortes Liebe lässt mich in der Regel argwöhnisch und kaltschnäuzig werden. Aber es war etwas anderes, es war die Art und Weise, wie es auf den Tisch kam und mich nachdenklich machte.
Die Aufarbeitung dauerte, aber sie kam.
Es war dann meine Frau, die mich bat einen Film auszuwählen, der ohne Tschin Bumm, Waffen, Explosionen, Gewaltexzessen und Herbirnereien auskommt, daher wählte ich unentschlossen das Regiedepüt von Philip Seymour Hoffman aus dem Jahr 2010: Jack in Love, OF: Jack goes boating.
Hoffman, der am 2.2.2014 an einer Überdosierung eines Drogencoctails verstarb, verfilmte ein Off-Broadway Stück, in dem er einst selbst mitspielte. Es erzählt im unaufgeregten Ton die Geschichte zweier New Yorker Paare; von Jack und Conny, wie sie zueinander finden und die von Lucy und Clyde, deren Beziehung sich dazu synchron auflöst. Mit Nachdruck wurde mir der Verlust von Philip Seymour Hoffman deutlich, der in der Darstellung des Jack einen schauspielerischen Parforceritt vollführt und in diesem Film zeigt, was für ein schwieriges Unterfangen es in Wirklichkeit ist, sich jemanden anzunähern und zu vertrauen. Unwillkürlich erinnert er an die längst verdrängte eigene Geschichte der Unzulänglichkeiten, Unsicherheiten und dieser unerträglichen Verletzlichkeit. Diese Ausgeliefertheit zeigt Hoffman sehr eindringlich, wenn Jack im Hallenbad mit Badehaube und Schwimmbrille das Schwimmen lernt. Ängstlich und völlig hilflos, mit seinem weissen massigen Körper und rot geflecktem Gesicht, setzt er sich schutzlos unserem Blick aus.
Und hier schließt sich der Kreis. Es war dieser kurze, scheue Blick mit dem Ulan das Wort "Liebe" aussprach. Für einen Sekundenbruchteil erfasste ich das Fehlen jeglicher Ironie und Abgeklärtheit. Aber nicht Naivität schwingte mit, sondern eine ungewöhnliche Bestimmtheit. Eine "petite perception", wie Leibnitz sagen würde, die feine Haarrisse in meiner Abwehr verursachte und die dann Hoffman endgüldig aufsprengte.
Vielen Dank auch, denn Dank dieser plötzlichen Feinfühligkeit überhörte ich nicht das wunderbare "Peace piece", von Bill Evans, das den Nachspann begleitete.